Wie kommt das Neue in die PR? – Zum Fortschritt im Kommunikationsmanagement

Public Relations hat sich als moderne Managementfunktion erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert. Die Wurzeln des Berufsfelds reichen aber – wie Günter Bentele in seinen Arbeiten zur Geschichte der PR in Deutschland überzeugend dargelegt hat – weit über 200 Jahre zurück in die Zeit der preußischen Reformen. Seitdem hat sich die Disziplin in verschiedenen Phasen – Bentele unterscheidet sieben, von denen die letzte mit „Digitalisierung, Internet und Globalisierung“ die Epoche des „strategisch fundierten Kommunikationsmanagements“ einläutete – ausdifferenziert und professionalisiert.

Dabei war von Beginn an technologischer Fortschritt ein wesentlicher Treiber der Entwicklung – nicht zuletzt durch den Einsatz der jeweils neuesten medialen Verbreitungsformen: von Print über Radio und Fernsehen bis hin zu Internet und Sozialen Medien. Angesichts dieser Tatsache und auch vor dem Hintergrund sich aktuell abzeichnender Entwicklungssprünge in Feldern wie Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung erscheint die Innovationsgeschichte der PR vor allem als eine Geschichte der stetigen Erneuerung von zunächst Hard- und später Software. Befragt nach den Zukunftsthemen ihrer Profession, antworten dann die PR-Praktiker entsprechend: Kein Thema hat hier im Rahmen des European Communication Monitor 2019 eine stärkere Zunahme im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet als der „Einsatz von Big Data und Algorithmen in der Kommunikation“.

Es scheint ausgemacht: Die Zukunft der PR liegt in der Maschine, auch wenn sich gelegentlich der Eindruck einstellt, dass es sich hier allenfalls um eine self-fulfilling prophecy handeln könnte. Hier lohnt es sich für Praktiker wie Wissenschaftler, den Blick zu weiten oder wie der Philosoph Daniel-Pascal Zorn mit Bezug auf die Unterscheidung zwischen Philosophie und Populär-Philosophie schreibt: „Die Philosophie kann den Dingen nur auf den Grund gehen, wenn da nicht schon ein Grund ist, den sie selbst dort versteckt hat“. Der Debatte um die Zukunft der PR und die Prinzipien des Fortschritts im Kommunikationsmanagement würde ein solch unvoreingenommenes (Zorn sagt: „radikalen“) Vorgehens auch gut anstehen.

PR ist zwei Jahrhunderte nachdem sie in der frühen Moderne aus der Taufe gehoben wurde, immer noch eine Kombination aus Handwerk, Kunst und Wissenschaft. Es ist offensichtlich, dass ihre handwerklichen Elemente besonders empfänglich für technologische Innovationen waren und sind. Hier das taktische Handwerkszeug mit einem neuen strategischen Paradigma zu verwechseln, hätte dramatische Folgen. Ein Cartoon in der Los Angeles Times vom 5. Januar 2020 verdichtet die potenziellen Gefahren des Missbrauchs von KI in Kommunikationskampagnen in einen böse formulierten Slogan: „Unser Unternehmen kann mit Künstlicher Intelligenz echte Ignoranz herstellen“. Um sich gegen den Allmächtigkeitsanspruch digitaler Meinungsdesigner zu wappnen, sollte es die PR-Zunft mit dem großen französischen Aufklärer Voltaire halten: „Zweifel ist nicht angenehm, aber Gewissheit ist absurd“.

Die wichtigsten Impulse für die Weiterentwicklung des Kommunikationsmanagements gehen aktuell nicht vom technologischen Fortschritt, sondern von den neuen Anforderungen kritischer Anspruchsgruppen an Unternehmen aus. Das sich herausbildende neue Modell eines Stakeholder Kapitalismus, wie es auch jüngst beim WEF unter der Überschrift Davoser Manifest propagiert wurde, stellt neue Anforderungen an die Kommunikations- und vor allem an die Dialogfähigkeit von Unternehmen, die über das klassische Instrumentarium der PR hinausgehen. Aufbau und Pflege von belastbaren Beziehungen zu kritischen Anspruchsgruppen („Bonding“) tritt gleichberechtigt neben die klassische Abstrahlwirkung („Reputationsaufbau“) der PR.

Damit zeigt sich auch, dass die Sozial- und Geisteswissenschaften als Grundlagen der PR wichtige Impulse leisten können und müssen. Marcus du Sautoy, einer der führenden KI-Wissenschaftler, weist gleichfalls in diese Richtung, wenn er die Geisteswissenschaften zu einem Beitrag auffordert: „Immer mehr Deutungsfragen (zu KI) dringen in die Öffentlichkeit. Da können Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler nur bedingt helfen“. Um das Neue in die PR zu bringen, braucht es also auch einen selbstbewussten Beitrag der theoretischen Wissenschaft jenseits der anwendungsorientierten Technik. Oder wie der Kunsthistoriker Erwin Panofsky in seinem Buch „In Defense of the Ivory Tower“ treffend schreibt: „Am Fuß des Turms hat man die Kraft zu handeln, aber man kann nicht weit sehen. Auf der Spitze des Elfenbeinturms kann man weit sehen, aber es fehlt die Kraft zu handeln“.

2 Kommentare zu „Wie kommt das Neue in die PR? – Zum Fortschritt im Kommunikationsmanagement

  1. Hallo Herr Erhardt, richtige Richtung- PR als Teil einer noch zu schaffenden Maschinendaten – Ökonomie- auf der Basis von standardisierten Datenaustauschprozessen Din ISo 27070 und über verifizierte Konnektoren kleben wir dann noch die Nutzungsbedingungen auf die Daten. Use Cases dazu gibts auch schon bei der International Data Spaces Association ( IDSA) und dem Mitgliedsunternehmer Orbiter des Internet Silver Back Hannes Bauer in dessen Netzwerk ich die Kommunikation dieser komplexen Technologie mit gestalten darf.

    1. Oops. Es muss natürlich standardisierte Maschinen Daten Kommunikation is vertrauenswürdigen interoperabelen Datenräumen ” nach DIN Spec 27070″ heißen. Aus der DIN SPEC wird vielleicht irgendwann auch eine DIN ISO – aber ganz soweit sind wir leider noch nicht.

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