Mehr Gegenwart, weniger Hype – die Zukunft des Kommunikationsmanagements ist jetzt

Die aktuelle Inflation von Studien und Analysen zur Zukunft des Kommunikationsmanagements im Allgemeinen und zur Rolle des Chief Communications Officer (CCO) im Besonderen ist ohne Frage auch eine Folge der fundamentalen Umwälzungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die wir seit einigen Jahren erleben und für die Stichworte wie geopolitische Konfrontationen, hybride Globalisierung und soziale Polarisierung stehen. Zugleich zeichnet sich die breite Einsatzmöglichkeit KI-basierter Marketing- und Kommunikationssoftware ab, die unserem Berufsfeld völlig neue Instrumente an die Hand geben wird. Die Marketingchefin des Generikaherstellers Haleon sprach jüngst in der Financial Times davon, dass hier Kommunikationsträume wahr werden: „Die richtige Person, der richtige Zeitpunkt, die richtige Botschaft. Das ist der Traum jedes Vermarkters“.

Tatsächlich geht es nicht nur um die Frage der zukünftigen Entwicklung einer Managementdisziplin. Die engagierte, aber gelegentlich auch ein wenig übersteigert wirkende Suche nach der Zukunft des Kommunikationsmanagements in der ganzen Bandbreite zwischen technologischen Trends, neuen (bzw. traditionellen) Rollenverständnissen der CCOs und innovativen Geschäftsmodellen für die (post-)moderne Kommunikationsfunktion ist auch Ausdruck einer großen Ratlosigkeit bei Entscheidern in Wirtschaft und Politik. Der FT-Kolumnist Ruchir Sharma hat jüngst darauf hingewiesen, dass zu Beginn eines Jahres, in dem rund die Hälfte der Weltbevölkerung zu Wahlen aufgerufen ist „kein politischer Anführer in der entwickelten Welt Zustimmungswerte über 50 Prozent hat“. Und das Edelman Trust Barometer 2024 zeigt für Deutschland niedriges Vertrauen in die gesellschaftlichen Schlüsselinstitutionen Regierung (47 Indexpunkte auf einer Skala bis 100), Medien (47), NGOs (41) und Unternehmen (50) an. Bundeskanzler Olaf Scholz – kürzlich von der Schriftstellerin Julie Zeh bei einer Veranstaltung auf die Notwendigkeit einer anderen Kommunikation von Politikern angesprochen –  hat laut Frankfurter Allgemeine Zeitung versprochen, klarer zu kommunizieren:  „Alle, die das verlangen, werden es auch kriegen“. Und Anastasia Hermann, Professorin für Personalmanagement an der Internationalen Hochschule Bad Honnef vermutet, „dass es in zehn Jahren nur noch begnadete Kommunikatoren in den Vorstandsetagen gibt“.

Offensichtlich leben wir in einer Welt, die möglichst rasch mehr gelingende Kommunikation braucht – sei es für die Akzeptanz wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen oder für den gesellschaftlichen Konsens auch in Zeiten geringeren wirtschaftlichen Wachstums und damit zurückgehender Verteilungsspielräume. Kommunikationsmanagement kann hier einen Beitrag leisten, denn die Disziplin hat sich in den vergangenen Jahren erheblich weiterentwickelt und professionalisiert. Eine Rückschau auf den European Communication Monitor, der seit 15 Jahren die Schlüsselaufgaben in der Disziplin dokumentiert, zeigt fünf Schwerpunkte, die allesamt in der aktuellen Lage entscheidend sind: Vertrauensaufbau, strategische Ausrichtung, Nachhaltigkeitskommunikation, Informationsbewältigung und neue Technologien. Wir brauchen aktuell nicht mehr Zukunft – vulgo weitere Visionen für z.B. durch KI hyper-personalisierte Kommunikation oder Kommunikationsarbeit, im Rahmen derer Large Language Modelle, die Kosten für Kreativität vemeintlich auf null sinken lassen, wie Unternehmensberatungen aktuell gerne argumentieren –, sondern vor allem mehr Gegenwart für das Kommunikationsmanagement.

Der erfolgreiche CCO war nie ein Maschinist, der im Auftrag seiner Organisation per Knopfdruck vorhersagbare kommunikative Ergebnisse mit Hilfe magischer Instrumente erzeugt – und wird es nie sein. Hier kann ich nur meinem US-Kollegen Gary F. Grates zustimmen, der im aktuellen Blog der Arthur Page-Society darauf hinweist, dass unser wertvollster Beitrag als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren nicht die kommunikativen Fähigkeiten sind, sondern unser kommunikativer Standpunkt. Sich hierfür Gehör zu verschaffen, indem man ein überzeugendes „kommunikatives Geschäftsmodell“ für die eigene Organisation präsentiert und es mit Durchhaltevermögen verfolgt, ist der zeitlose Leistungsbeitrag des Kommunikationsmanagement an der Schnittstelle zwischen dem, was Wirtschaft oder Politik will, und was Anspruchsgruppen oder Bürger akzeptieren. In diesen Tagen hat Günter Thiele, der Grandseigneur der Kommunikationsberatung in Deutschland, der viele führende Vertreterinnen und Vertreter unserer Zunft inspiriert, gefördert oder ausgebildet hat, seinen 90. Geburtstag gefeiert. Er hat in der Rückschau auf sein Wirken sehr menschliche Erfolgsfaktoren genannt, die man allen CCOs mit in die Zukunft geben kann: „Fleiß, Bescheidenheit und Demut“.

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