Kommunikation in der digitalen Transformation

Aufmerksamkeit und Wesentlichkeit

In 2012 kam es zu einer organisatorische Veränderung, die für das Kommunikationsmanagement des Unternehmens zunächst eine wesentliche Ergänzung und zwischenzeitlich auch Neuorientierung gebracht hat. Die Funktionen Corporate Communications und Corporate Responsibility (CR) – also das Nachhaltigkeitsmanagement des Unternehmens – wurden integriert. Es erweist sich, daß beide Funktionen auf der Grundlage eines von Bereitschaft und Fähigkeit zur Corporate Empathy geprägten Selbstverständnisses sehr viel voneinander lernen und sich jenseits ihrer jeweils spezifischen fachlichen Aufgaben hilfreich ergänzen können.

Wo Kommunikatoren sich der Aufgabe widmen, mit dem Ziel des Reputationsaufbaus Wahrnehmungen zu beeinflussen, streben Nachhaltigkeitsmanager den Interessensausgleich mit Anspruchsgruppen auf dem Wege der Interaktion an. Während sich die Unternehmenskommunikation auf die Herstellung medialer Aufmerksamkeit (Signifikanz) durch massenmediale Ansprache von Vielen versteht, konzentriert sich CR auf die Behandlung thematischer Wesentlichkeit (Relevanz) vor allem im dialogischen Austausch mit Wenigen. Anders gesagt: die Unternehmenskommunikation kann besser senden und die CR besser empfangen.

Empathische Kommunikation zu bzw. mit wichtigen Zielgruppen und empathische Interaktion mit kritischen Stakeholder-Gruppen ergänzen sich gleichsam zur vollen Aktivierung des kommunikativen Potentials des Unternehmens, indem erforderliche Aufmerksamkeit und angemessene Wesentlichkeit in Balance gebracht werden können.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei der 2013 eingeführten Stakeholder-Befragung zu, im Rahmen derer die Teilnehmer sich zu allen Dimensionen verantwortungsvoller Unternehmensführung äußern. Mit Hilfe einer daraus abgeleiteten Materialitätsanalyse kann verläßlich eingeschätzt werden, welche Themen für das Unternehmen als wesentlich einzuschätzen sind. Damit wird die Materialitätsanalyse – neben dem etablierten Issues Monitoring entlang der veröffentlichten Meinung – zu einem Instrument, mit dem die Erwartungenen interner und externer Stakeholder zum Kompaß für die langfristige strategischen Positionierung des Unternehmens gemacht werden können.

So ergibt sich nicht nur eine sehr viel feinere Justierungsmöglichkeit für die strategische Ausrichtung der Unternehmenskommunikation, die noch dazu die Sichtweise wichtiger Anspruchsgruppen unmittelbar reflektiert. Vielmehr entsteht in der Folge auch ein fundierter Beurteilungsmaßstab, der angesichts zunehmener Frequenz und Amplitude medialer Aufregung gerade in digitalen Medien zwischen bedeutsamen und nachrangigen Erscheinungen und Kommentierungen etwa in der tagesaktuellen Berichterstattung  zu unterscheiden hilft.

Die Ergebnisse der Materialitätanalyse wie des Issues Monitoring werden zusätzlich im persönlichen Austausch mit Expertengremien bewertet, um die abstrakten Erwartungen der Anspruchsgruppen zum einen mit der Praxis des unternehmerischen Alltags und zum anderen mit dem aktuellen Stand der entsprechenden Diskussionen in Wissenschaft, Politik und Ethik abzugleichen. Hierfür wurden mit dem internen Netzwerk für Responsible-Business-Practice, in dem neben den operativen Divisionen auch die Konzernfunktionen für Compliance, HR, Unternehmenskommunikation, Corporate Responsibility, Konzerneinkauf und Konzernsicherheit vertreten sind, und dem externen Sustainability-Advisory-Council, der mit unabhängigen Experten und Meinungsführern der genannten Disziplinen sowie Kundenvertetern besetzt ist, wirksame Gremien geschaffen.

Mit dieser an den Einstellungen und Bedürfnissen der Stakeholder orientierten Vorgehensweise wird natürlich zugleich eine einseitig signifikanz-orientierte Kommunikationssteuerung in Frage gestellt. Der ROI einer postmodernen Kommunikationsstrategie kann sich nicht in unilateralen Aggregaten wie Vertrauen, medialer Aufmerksamkeit oder Image erschöpfen. Vielmehr muss auch der Interaktionsaspekt des Austauschs mit kritischen Anspruchsgruppen Berücksichtigung finden, wie er sich im fachlichen Dialog, im konkretem Interessensausgleich und in gemeinsamen Projekten dokumentiert. Es geht nicht mehr nur um einen erreichten Ansehensstatus (Reputation), sondern auch um die Qualität von Beziehungen (Bonding).